willy1
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Erstellt: 16.12.04, 17:21 Betreff: Noch auf Suche für ein Weihnachtsgeschenk ? |
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Kleine Philosophie der Passionen, Pferderennen von Stephan Lebert, Harry Nutt Preis: EUR 8,00
Vergnüglich, nachdenklich - eine Liebeserklärung Lebert und Nutt sind parteiisch, machen keinen Hehl daraus. Sie sind sich dessen aber bewusst und schaffen so eine kritische Perspektive, die die Faszination Pferderennen erklärt und nicht verklärt; die Schattenseiten kommen nicht zu kurz. Seit Jahren kennen sie die Traberszene, bekennen sich zum Pferderennen als Freizeitausgleich, mehr, als Teil ihres Lebens. Ihr Report ist vergnüglich zu lesen, schafft Nachdenklichkeit und ist zugleich eine große Liebeserklärung an ein schönes Hobby - ein Muss für jeden Turffreund, eine Chance für jeden Außenstehenden, die Innenwelt des Mikrokosmos Rennbahn zu verstehen.
Die Rennbahn existiert neben dem normalen Leben "Die Rennbahn ist etwas, was neben dem normalen Leben existiert. Neben dem Berufsalltag, neben dem Privatleben", erklärt Lebert. Keiner seiner Freunde gehe dorthin. "Hört sich vielleicht komisch an, aber die Rennbahn ist für mich ein Ort, der nur mir gehört." Und sie ist eine wunderbare Schule: "Man lernt das Verlieren. Und das ist für den Rest des Lebens gar nicht schlecht, wenn man das kann." Zudem habe ein Psychologe herausgefunden, dass Rennbahnbesucher sich seltener umbringen: "Die Hoffnung auf das nächste Rennen. Es gibt immer die Hoffnung auf einen neuen Anfang."
Unglaubliche Anekdoten aus dem Trabermilieu Harry Nutt, der Feuilletonist, und Lebert, der Reporter, erzählen nicht nur eigene Anekdoten, fast unglaubliche Schnurren aus dem Trabermilieu. Sie zitieren aus Franz Kafkas Parabel "Zum Nachdenken über Herrenreiter", aus Stefan Zweigs Novelle "Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau" und Dostojewskis "Spieler", um die menschlichen Hintergründe, Abgründe des Spielens und Wettens, die Kategorien von Sieg und Niederlage - auf allen Ebenen des Lebens - anzusprechen. Dabei muss das Siegen am Ende gar nicht immer den Sinn ausmachen. Charles Bukowski gewann beim Zocken einmal 23 Rennen hintereinander, um zu der Erkenntnis zu kommen: "Manchmal denke ich, es gibt Kräfte, die uns für kurze Zeit emporheben, damit wir sehen, wie leer und einsam wir als Sieger dastehen."
Tradition als Sport der Intellektuellen Auch wenn der Trabrennsport im Alltag wenig Glanz hat, oft nur Tristesse der Rennbahn Gesicht zu verleihen scheint, so fasziniert der Sport auch Intellektuelle. Legendär ist der Berliner Verleger, Kunsthändler und Traberzüchter Bruno Cassirer, der am berühmten Malertisch im Romanischen Cafe, wo Cassirer häufig mit Max Slevogt, Lovis Corinth und Emil Orlik zusammentraf, bisweilen auch Pferdefragen verhandelte. Das eigentümliche Verhältnis von Verlags- und Rennstallbesitzer hat Christian Morgenstern schließlich zu einem Epigramm auf Cassirer angeregt: "Ein wahrer Diomedes bist Du, nachgeboren/Du fütterst Deine Pferde mit Autoren/Mit mir - gerecht zu sein - war's freilich umgekehrt/Mir opfertest Du fast ein - halbes Pferd".
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